Theresa Brehm

Aus: Sommerbad (Roman)

 

Es war ein Sommerbad so wie viele, mit drei Becken unterschiedlicher Tiefe und einer Liegewiese, von Platanen umstanden. In der Ferne ragten Plattenbauten in den Himmel. Schaute man nach oben und streckte man die Hand aus, wollte man in das Blau springen, es zog einen fast hinein und Schwindel setzte ein.

 

Ich saß täglich auf den Betonstufen, die über dem Schwimmerbecken eine Art Zuschauertribüne bildeten. Die Sonne beschien sie bis zum Abend, und tauchte die Liegenden in Gold, wenn der Park auf der anderen Seite ins Dunkle verschattete und das Gras herüber roch.

 

Von meinem erhöhten Platz aus beobachtete ich die Schwimmer und die Wassertropfen, die über ihren Köpfen und Armen für Sekundenbruchteile in der Luft schwebten. Hände und Füße stießen aus dem Wasser und glitten mit Gewalt in die glitzernde Oberfläche. Ameisen liefen über die graurissige Zementdecke und irgendwann suchten sie sich ihren Weg über meinen Arm.   

 

Wenn ich schwamm setzte ich manchmal die Brille auf und kurz vor dem Atemholen teilte sich das Bild in einen blauen Raum der Schwerelosigkeit und eine schnellere Welt, in der Kinder vom Beckenrand sprangen und Gesprächsfetzen und Rufe über das Wasser getragen wurden.

 

Aaron fiel mir zum ersten Mal auf, wie er zum Sprungbrett schritt. Es war früher Nachmittag. Er drehte sich zu jemandem um und er lachte und dann drehte er seinen Kopf nach vorne und ich sah dieses Lachen.

 

Aus: Zeit des Zwitscherns (Roman)

 

Heute beginnt der freie Fall. Ist das nicht schrecklich lächerlich?

Es ist die Zeit des großen Zwitscherns. Es sind die letzten Minuten eines Nachmittags, der schon Abend wird, am 1. August 2014.

 

Ich betrete die graue Bühne und schreite auf dem Laufsteg, der die große Kuhle furcht, durch den Park. Die Äste der Weiden am Rand der Bühne wehen in Slow Motion, ein paar Blätter fliegen auf die Wiese, über die Cellophanpapier treibt und Grill-Aluschalen wie große Silberkonfetti im Abendlicht leuchten.

 

Die zwei Männer, die jetzt aufblicken, der eine in Glanzjogginghosen und der andere, ältere mit Häkelkappe und Bartgesicht, müssen genau so zu mir hinsehen und mit ihren Augen meinen Gang verfolgen. Und so müssen meine Stöckelschuhe auf den Steinplatten klingen, die vereinzelt aus dem Boden lugen, der vom letzten Regen aufgematscht ist. Und so müssen meine Haare nach hinten fliegen und mein Blick muss traurig und anzüglich sein. Und ich weiß, dass es lächerlich ist und erhaben zugleich. Und alle, die ich auf meiner Bahn durch den schon fast abendlichen Park, treffe, müssen mir ins Gesicht sehen und erstaunt blicken.

 

Und die Blicke sind so wie Kameraeinstellungen. Es sind meine Filmszenen. Ich liebe sie.  

 

Geboren in München.  Aufgewachsen an der deutsch-österreichisch-tschechischen Grenze in Niederbayern.

 

Lebt seit 2004 in Berlin und hat an der Freien Universität Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften studiert. 

 

Schreibt aktuell an ihrem Roman "Zeit des Zwitscherns." Ist  auf den Lesungen des Autorenkombinats zu hören. Baut beim studierendenWERK BERLIN den Bereich Literatur auf.

 


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