Moritz B. Hampel

PROFIL-BERATUNG

Ich war gestern bei einer Typ-Beratung. Für Internet-Profile – Pimp My Profile. Der Kerl hatte mich wohl zufällig gefunden und angeschrieben, und weil das Angebot ganz gut klang, habe ich mich darauf eingelassen.

Eigentlich sei gerade ‚Take one, get one for free’-Woche, also hätte er eigentlich zwei Profile von mir pimpen können. Ich habe aber nur eins. Der hat die üblichen Kandidaten abgefragt – MySpace, StudiVZ, Facebook.

Alles Essig, da war ich nie. Nur das hier konnte ich ihm bieten. Er hat mit den Schultern gezuckt und gemeint, dann sei er eben doppelt gründlich. Er hat mich schief angesehen und gelacht. Habe ich nicht verstanden, war aber vielleicht auch nicht so wichtig.

 

Er hat sich erstmal in aller Ruhe mein bestehendes Profil durchgelesen, und dabei immer wieder Notizen in einem Ringbuch gemacht. Und viel gemurmelt, und den Kopf geschüttelt. Manchmal hat er kurz hoch gesehen, und da lag so etwas furchtbar Trauriges in seinem Blick, als hätte ich Krebs im terminalen Stadium.

Mir wurde ganz bang.

Endlich hat er die Lippen aufeinander gepresst und mich angesehen. Lange und ernsthaft, und dann meinte er, da gäbe es viel zu tun. Das würde noch ein langer Abend werden, für uns beide.

Oh je, habe ich geseufzt. Ich hatte eigentlich noch was vor. Ein bisschen was im MEMA einkaufen, und einen Text online stellen. Da hat er mich missmutig angesehen und gemeint, ich müsse schon Prioritäten setzen. Was jetzt wirklich wichtig sei.

Ein Profil sei das Antlitz eines Autoren, meinte er. Völlig egal, wie gut die Texte seien, wenn das Profil nicht ansprechend ist, dann wird das eine Einbahnstraße. Einmal drauf und niemals wieder, wie bei einer polnischen Nutte, sagte er und hat wieder so komisch gelacht.

Ich weiß nicht – ich war noch nie in Polen.

Jedenfalls – wo sei denn mein Zitat?

Ich wusste nicht, was er meint. Da hat er mit den Augen gerollt, und wieder den Kopf geschüttelt. Man ließe andere für sich sprechen, sagte er. Ein cleveres Zitat sei ein Muss. Das würde den Leser, den Besucher ‚abholen’. Hat er mich gefragt, was ich mir denn für ein Zitat vorstellen könnte, etwas, was mein ‚Standing’ beschreiben würde. Ich habe dann ein paar Vorschläge gemacht, aber das fand er alles irgendwie 'fad'. Wollte er alles nicht.

Provozieren müsse so sein Zitat. Polarisieren, und den Zeitgeist fühlen lassen. Und vor allem: Unterschwellig Selbstironie und Cleverness transportieren.

 

Geeinigt haben wir uns dann auf einen Songtext von den Toten Hosen:

Wann auch immer wir vereinbart waren,
mein Leben kam zu spät.
Immer wenn es wichtig war,
ließ es mich im Stich.
Es war ständig nur auf Parties,
ich saß allein zu Haus.
Ganz egal, was es auch zu feiern gab,
mein Leben das ging aus.

Mein Leben war eine Schlampe,
es ließ sich dauernd gehen,
stand stundenlang vorm Spiegel
und fand sich dabei schön.

Es blieb oft bis mittags liegen,
kam meistens gar nicht aus dem Bett,
schlief endlos seinen Rausch aus,
jetzt ist es aufgequollen und fett.

 

Er schien zufrieden, wandte sich gleich dem nächsten Punkt zu. Wo sei denn mein Link, wollte er wissen. Was für ein Link, entgegnete ich und irgendwie wusste ich, dass das eine Fangfrage ist. Er hatte sich mein Profil ja angesehen, wusste also schon Bescheid.

Einen Link auf ein cooles YouTube-Video wollte er von mir. Etwas, was meine ‚Message’ unterstreichen würde.

Aber ist meine Botschaft denn nicht in meinen Texten enthalten, wollte ich wissen. So ich denn eine habe.

Quatsch, sagte er – die Botschaft würde sich nicht ergeben, die müsse man konstruieren, komponieren. Sorgfältig erschaffen, die sei Teil des Images. Elementarer Bestandteil des Images, betonte er mit gewichtiger Miene.

Also gut – wir gingen meine YouTube-Favoriten durch, um zu sehen, ob da was Brauchbares dabei wäre.

Monty Python, da gibt’s ein paar coole Sachen - Klassiker - schlug ich vor. Climbing the North Face of the Uxbridge Road“, zum Beispiel. Den fand ich immer schon großartig. Wollte er nicht – zu abgedroschen.

Wie wäre es mit La Linea, wollte ich wissen. Lustig, zeitlos und sehr clever gemacht, weil interakiv. Interaktive Videos seien doch noch nicht verbrannt, oder?, wollte ich zaghaft wissen.

Nein, verbrannt seien die noch nicht. Und interaktiv sei prinzipiell gut, aber ob es wirklich La Linea sein müsse? Der sei so … altbacken.

Andere interaktive Videos mit stylisherem Content konnte ich ihm leider nicht anbieten, also verwarfen wir die Idee wieder.

Als nächstes schlug ich ihm eins dieser Schwäbisch-Videos vor: 'Die Hard 4' oder '24 Stunden' auf Schwäbisch, aber da hat er nur geschnaubt. Wer denn Schwaben witzig finden würde, und überhaupt befänden sich die Dinger doch schon so endlos im Netz, die würde sogar der Schäferhund seiner Oma kennen.

Meine letzte Hoffnung waren ein paar Animationsfilme, da gibt es ein paar wirklich schöne bei meinen Favoriten, aber die waren ihm auch alle nichts.

Wir müssten damit richtig 'Gas auf die Straße bringen' – die 'Braut schmücken vor der Hochzeit'. Die Videos seien niedlich – aber ob ich niedlich sein wolle? Als Autor?

Wollte ich nicht, das musste ich schon zugeben.

 

Am Ende einigten wir uns auf einen Kurzfilm, mit leichtem Hang zum Surrealen und einem cleveren Plot: The Same (http://de.youtube.com/watch?v=hDrcjKq0e1w)

Eigentlich war ihm der zu lang: Zehn Minuten, meinte er, wer hat die denn, heutzutage? In den Zeiten von Ten-Second-Commercials und ADS? Wusste ich auch nicht, aber ich fand den Film wirklich toll.

Am Ende hat ihn dann überzeugt, dass Josh Hartnett drin mitspielt, der sei seit ‚Sin City’ und ‚30 Days of Night’ ja schon ein ganz guter Imageträger, was Pop-Kultur angeht. Außerdem hätten wir ja nun definitiv nix Besseres.

 

Dann wollte er noch einen krachigen Titel für den Link. Damit konnte ich erst nicht dienen, wusste auch gar nicht, was er von mir wollte. Ich rede über die Meta-Ebene, meinte er beschwörerisch. Mit der Titel-Vergabe sei ich direkt am kreativen Pulsschlag des medialen Contents, würde quasi Teil des Ganzen.

Aber irgendwann habe ich’s dann begriffen, und gemeinsam knobelten wir dann „Die Liebe kennt keine Größe“ aus. Mir war das ein wenig zu unhandlich, aber er fand es super. Leicht mystisch und prätentiös. Nur nicht zu viel erklären, belehrte er mich. Wer zu viel Klarheit, zu viel Wirklichkeit, auf seinem Profil hat, der hätte schon verloren, im großen Rennen um die Klickzahlen und Page-Impressions.

Page-Impressions, oder kurz ‚PIs’, sei die große neue Währung im 21. Jahrhundert. Bald würde auch ich Millionär werden – PI-Millionär.

Seiten-Aufrufe, übersetzte er mir das.

Dann warf er einen weiteren Blick auf den Bildschirm, erschrak fast. Die Bezeichnungen, meint er.

Ich hatte keine Ahnung, wovon er redete.

Kein Mensch wolle wirklich wissen, was ich mache, erklärte er mir. Diese beiden Felder, ‚Beruf’ und ‚Zur Zeit tätig als’ seien nur weitere 'Geschmacksknospen der Kreativität'. Ölfelder, auf denen ich mich begehrlich machen könne.

Das solle ich gefälligst tun.

Aber er schien mit seiner Geduld am Ende, vielleicht war unsere Zeit auch um, jedenfalls erhob er keine weiteren Einsprüche, als ich versuche, die Felder möglichst poetisch und phantasievoll zu füllen.

Er ist von Beruf: Lockenwickler

und

Zur Zeit tätig als: Strandkorb-Verkäufer an der A 100.

Dann sind wir durch.

 

Allerdings wird es eine Weile dauern, bis die Seite komplett ge-revamped und ge-rebrushed ist. Bis dahin sei sie ‚Under Construction’, aber das mache nichts, meinte er. So etwas würde die Leute neugierig machen, und genau wie ein Cliffhanger in modernen Serien funktionieren.

Jedenfalls bin ich schon ganz gespannt.

Ich finde, das Geld für die Beratung habe ich gut angelegt.


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