Anne Mairo: Gedichte

Stadtneurotik

Der bittre Kuchen unsrer Einheit

Teilt sich in Eier, Mehl und Fett.

Wir mischen uns ganz widerspenstig,

Sind dabei weder froh noch nett.

Ein Ei zu sein, das kann nicht reichen,

Dann würde man den Eiern gleichen.

Es braucht den revolutionären Misch,

Der eignet sich von allem an,

Verbindet sich beständig frisch,

Erfindet sich auch dann und wann.

Das Individualsubjekt

Baut unser Einheitsweltkonzept,

Ein Kuchen aus Dekorationen,

Als Lebkuchenhaus wiedergeboren.

Reflexion

 

Im schmutzigen Bahnfenster seh ich euch küssen,

Ich seh euch des anderen Luft atmen müssen.

Dieser Hauch von Distanz, er lässt euch schon leiden,

Eure Haut, euer Haar, sie schimmern so seiden.

Da seht ihr euch an, mit nässenden Augen,

Jetzt grad als die Tropfen die Scheibe entstauben.

Das Bild verschwimmt, ich kann mich nicht wenden,

Zu einem Brei aus Lippen und Händen.

Die Scheibe fließt, der Regen wird stärker,

Er hüllt sie ein, die schmelzenden Körper,

So rhythmisch schlägt Wasser nun gegen das Glas,

Schließt alles zusammen in rhythmischem Nass.

Ich steh vor der Scheibe, ein kleines Stück,

Muss gehen, doch bleibe, und blicke zurück.

Coffeeshop

 

Meditativer Jazz rauscht durch die Ohren

Wie schwarzes Gold durch Mund und Bauch.

Hab mich ein wenig in der Menge verloren

Wie im Nebel schwimmender Zigarettenrauch.

Im Feuer wuseln die röstenden Bohnen

Und hinterm Glas die moderne Welt.

Ich bin angekommen, darf mich endlich belohnen,

Eine kleine Weile lang kriech ich ins Zelt.

Ich wärme mich auf, von innen heraus

Und draußen im Kalten bleibt Leben und Sein.

Das gelbe vom Tag, ich nehm’s und verdau’s

Und atme den sanften Aromaduft ein. 


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